Interview mit Ludger Beckmann: Self Leadership - die Arbeit mit dem Inneren Team


Herr Beckmann, bei persönlicher Veränderung, Neuorientierung und bei schwierigen Entscheidungsprozessen unterstützen Sie Menschen in ihrem Prozess. Was ist Ihr Ziel und wie gehen Sie vor?
In diesen Prozessen begleite ich Menschen darin, in eine authentische Selbstführung zu kommen. Dafür ist die Arbeit mit dem Inneren Team einer der möglichen Königswege.

Was ist unter dieser Arbeit mit dem Inneren Team zu verstehen?
Das Innere Team gründet die Selbstführung auf eine systemische Form des Selbstbildes aus mehreren Teilen in uns. »Wer bin ich, und wenn ja wie viele?« titelt der bekannte Gegenwartsphilosoph Richard D. Precht. Das ist der Abschied vom traditionellen monolithischen Selbstbild der Art »ich bin ein Roter oder ein Schwarzer, ein Wissenschaftler oder ein Pragmatiker, ein ziemlich Flexibler oder sehr Strukturierter«. Wir entdecken eine Selbstbeschreibung, in der wir uns als ein funktionierendes Ganzes von Anteilen verstehen etwa wie »ich habe eine soziale Ader und ein bewahrendes Fundament, mein Wissenschaftler denkt analytisch und mein praktischer Teil handelt, ich bin ziemlich beweglich, aber meistens gut geordnet. Und von meinen liebenswerten und liebevollen Anteilen und vielen anderen habe ich noch gar nicht gesprochen.« Das ist wie der Abschied von der Newtonschen Uhrwerksmechanik des Individuums (Individuum = das Unteilbare) hin zu einem modernen systemischen Selbstbild von verschiedenen inneren Teilen, ähnlich der Quantentheorie. Diese ist auch ein Modell, das das Atom (atomos = unteilbar) als Zusammenwirken seiner Teilchen beschreibt. Ein solches Verständnis kennen wir auch von unseren Arbeitsteams oder noch ursprünglicher aus unseren Familien, weswegen das Bild vom Inneren Familien-System (IFS) es auch noch näher trifft.

Unsere verschiedenen Bedürfnisse und Ambitionen konkurrieren oft miteinander und blockieren uns in unserem Tun. Inwiefern hilft das Modell des Inneren Teams für eine gelingende und reife Selbstführung?
Unser Inneres Team ermöglicht uns durch Achtsamkeit die Bewusstheit, dass diese einzelnen Teile von uns in Aktion treten. Das ist bereits die Hälfte der Miete. Der nachfolgende Dialog dieser oft konträren Teile ist die Vorstufe zu einem gelingenden Selbstdialog. Es geht darum, die innere Dynamik unserer Beschützer (z. B. eine innere Stimme: Das kannst du jetzt nicht bringen) und unsere beschützenswerten, lebendigen Teile (Ich würde jetzt gerne mal so richtig loslegen) durch unser erwachsenes Ich weise zu balancieren. Dafür hilfreich ist ein Dialog dieses »Selbst«, das eben nicht ein egoistisches Funktions-Ich ist, mit jenen zum Teil besetzten Teilen, die von irgendwas geritten sind.

In Ihrem Seminar »Selbstkompetenz stärken« ist von Selbstbewusstheit, Selbstvertrauen und Selbstorganisation die Rede. Klingt auf den ersten Blick nach Selbstoptimierung des Menschen. Was steckt wirklich dahinter?
Ja, am Beach von Los Angeles stoppen die Bay Watchers jene Jogger, die sie das dritte Mal an dem Tag vorbeilaufen sehen und fragen sie, ob sie im Fitnesswahn nach Joggen süchtig geworden sind. Die Arbeit mit dem IFS läuft nicht irgendwelchen implantierten Zielen hinterher. Ihr Fokus liegt auf der Stärkung der inneren Achtsamkeit, in der wir gewahr werden, wer gerade in uns das Heft in der Hand hat, und wie wir uns selbst in eine gute Richtung balancieren können, z. B. in innere Zufriedenheit, Heiterkeit, Mut oder Güte. Sie beachtet, was die Teile in uns, die dem entgegenstehen, brauchen, damit sie mitmachen können. Selbstoptimierung wäre somit definiert als sich selbst dahin bewegen oder zwingen, wozu man sich ein unreflektiertes Ziel gesetzt hat. Während ich unter Selbstführung den Weg verstehe, der zu werden, der ich im Grunde meines Wesens bin. Und das ist erfahrungsgemäß eine Entdeckungsreise bzw. ein Entwicklungsweg. 

Verlernen wir in einer hochkomplexen Gesellschaft aktiv präsent zu sein und welche analoge FührungsKRAFT braucht es in einer digitalisierten Arbeitswelt?
In der hochkomplexen digitalisierten Gesellschaft lauern hinter jeder Ecke zig Reize, Ablenkungen und Herausforderungen. Verlieren wir dadurch den Kontakt zu uns selbst, verlieren wir auch unsere Führungskompetenz. Nach außen zu Mitarbeitern und nach innen zu uns selbst. Achtsamkeit als Präsenzform des Geistes, Körperbewusstheit in unserem Leib und aufmerksame Zuwendung in Beziehungen helfen uns in einer digitalisierten und beschleunigten Welt, uns als Menschen nicht zu verlieren, sondern mit dabei zu haben. So können wir auch daran reifen.

 

Vielen Dank für das Gespräch! 
Interview: Christina Kral-Voigt, Leitung Seminare I Seminarberatung

 

Ludger Beckmann | MCSL

Ihr Trainer

Ludger Beckmann
Selbstständiger Managementberater, Trainer und Coach

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