Ihre Trainerin
Marianne Großklaus
Management- und Organisationsberaterin
Immer mehr Menschen sind dem Alltags- und Berufsstress nicht mehr gewachsen. Sie haben arbeitsbedingte körperliche und psychische Symptome. Ist eine neue Zivilisationskrankheit entstanden?
Auf den ersten Blick scheint das so, dass eine neue Zivilisationskrankheit entstanden ist. Vor allem »stressbedingte« Beschwerden haben einen deutlichen Anstieg erfahren. Statistiken der Krankenkassen und diverse OECD Studien bestätigen das mit deutlich ansteigenden Zahlen. »Stressbedingte« Symptome äußern sich physisch, vegetativ, seelisch und auf der Verhaltensebene und haben eine große Spannbreite. Sie reichen von starken Verspannungen, Rückenbeschwerden, Magen-Darm-Verstimmungen bis hin zu Unruhe, Schlaflosigkeit, depressiven Verstimmungen oder Reizbarkeit und vieles mehr.
Auf den zweiten Blick werden in den Statistiken viele unterschiedliche Symptome zusammengefasst. Die Zahl der Diagnosen seelischer Krankheiten steigt in Deutschland stetig an. Psychische Störungen sind zum häufigsten Grund für Erwerbsminderungs-renten geworden. In Bayern z.B. ist die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage durch psychische Erkrankungen seit dem Jahr 2000 um fast 54 Prozent gestiegen (AOK). Eine Aufschlüsselung der Barmer GEK zeigt, dass depressive Störungen mit knapp 40% den Löwenanteil ausmachen. Neun Prozent aller Ausfalltage gehen inzwischen auf seelische Leiden zurück.
Warum haben sich Menschen vor 40 Jahren trotz längerer Arbeitszeiten weniger überlastet und ausgebrannt gefühlt?
Ein wesentlicher Unterschied zu vor 40 Jahren ist die nachweisbare steigende Arbeitsverdichtung, die Einführung von E-Mail und Black Berry und die ständige Erreichbarkeit, die Komplexität der Arbeitswelten und höhere Anforderungen, die Zunahme der Arbeitsplatzunsicherheit durch viele Restrukturierungen, die Flexibilität und Mobilität fordern, jedoch auch Existenzängste schüren, Kraft und Energie rauben und eine private Lebensplanung häufig durcheinander wirbeln. Auch der Konkurrenzdruck spielt eine Rolle und die Persönlichkeit der Einzelnen.
Ständige Erreichbarkeit, hohe Anforderungen, ein schlechtes Betriebsklima und andere Faktoren können zu einer Erkrankung beitragen, müssen aber zwangsläufig nicht. Warum trifft es nicht alle in einer Firma? Gibt es bestimmte Personengruppen, die anfälliger für den Burnout sind? Gibt es eine genetische Disposition?
Die persönliche Geschichte, die eigene Konstitution und die Kondition sowie die Sensibilität und die Persönlichkeit der einzelnen Personen spielen eine große Rolle, ob im Zusammenspiel von Umfeld, Anforderungen und Person eine Anfälligkeit für »Burnout« entsteht. Der Rhythmus eines jeden Menschen ist abhängig von seiner angeborenen Konstitution. Dazu gehören seine Anlagen und Fähigkeiten und sein von der Natur mitgegebenes Kraftpotenzial. Dadurch ist eine gewisse genetische Disposition gegeben. Unsere Konstitution und persönliche Lerngeschichte führen zu bestimmten problematischen Reaktionsbereitschaften. Diese spezifische Art sich zu verhalten, tritt gesteigert in Situationen auf, die für die Person Stress bedeuten. Da die genannten Verhaltenstendenzen neue Konflikte für die Person bedeuten (z.B. Leidensdruck und Abkapselung bei depressiven Symptomen), ergibt sich ein verstärkter Stresszustand, das autonome Erregungsniveau steigt weiter. Während sich die Konstitution auf die von Geburt her vorhandenen potenziellen Kräfte bezieht, ist die Kondition auf die Beschaffenheit der zur Verfügung stehenden Kraft im Augenblick gerichtet. Jeder weiß, was die gute Kondition eines Sportlers bedeutet. Er hat die bestmöglichen körperlichen Bedingungen geschaffen, um den Wettkampf zu bestreiten. Dazu war ein ausgiebiges Training erforderlich. Mit unserer mitgegebenen Konstitution müssen wir auskommen, während wir die Kondition selbstbestimmend zum Guten oder Schlechten verändern können.
Welches sind die Ursachen für Burnout und was sind die deutlichen Warnsignale?
Die Ursachen sind vielfältig, komplex und immer individuell zu betrachten. Einige Punkte habe ich bereits oben erwähnt. Es geht immer um ein physisch – psychisch – biologisches Wechselspiel. In meinem Seminar gehen wir ausgiebig auf die Dynamik ein. Neben der angeborenen Konstitution, der persönlichen Lerngeschichte und den Stressmustern sowie der Kondition im Umgang mit Belastungen spielen die eigene Sensibilität und die Persönlichkeit eine große Rolle. Ein hohes »Ich-Ideal«, perfektionistische Ansprüche, ein geringes Abgrenzungsvermögen, ein starker Fokus auf die Bedürfnisse der Anderen, doch eine ungenügende Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse, wenig Anerkennung und Wertschätzung als Antwort auf die eigenen Anstrengungen, der Zwang sich zu beweisen, ein unzureichendes Selbstmanagement, zu wenig Erholung, eine lange Zeit der gefühlten Überforderung als auch Unterforderung, entsprechende fordernde Lebensumstände und andere Aspekte können in die Burnout-Dynamik führen.
Warnsignale sind ebenfalls vielfältig. Manchmal reagiert das nahe Umfeld schneller auf sich verändernde Verhaltensweisen. Anhaltende (chronische) Erschöpfungssymptome auch nach einem erholsamen Wochenende oder Urlaub, länger anhaltende Antriebs- und Kraftlosigkeit, depressive oder gereizte Verstimmungen, häufig begleitet durch „Stressbeschwerden“ wie starke Verspannungen, Magen-Darm-Verstimmungen oder andere Beschwerden, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen, Rückzug, beobachtbare Verhaltensänderungen, die nicht zur Person gehörig scheinen, deutlich stärkerer Konsum bzw. Missbrauch von Suchtmitteln (Alkohol, Tabletten etc.), diverse Ängste und das Gefühl »mit mir stimmt was nicht« sind deutliche Warnsignale und gehören in die Hände eines guten Arztes.
»Burnout« ist behandelbar! Doch vorübergende Gefühle der Erschöpfung nach einer länger dauernden anstrengenden Phase brauchen entsprechende Erholung und sind noch kein »Burnout«.
Sind Leistungsträger und Führungskräfte geradezu prädestiniert für den Burnout?
Gerade in anspruchsvollen, fordernden Berufen finden sich Personen, die hohe Anforderungen an sich selbst stellen, sich stark engagieren und sich beweisen möchten und manchmal über ihre Grenzen hinweg gehen. Doch anfällig für einen »Burnout« sind meiner Beobachtung nach eher Mitarbeiter oder Führungskräfte in »Sandwich- Positionen« oder in »helfenden« Berufen, deren Spiel- und Gestaltungsräume eingeschränkt sind und wenig Gestaltungsfreiheit zulassen bei gleichzeitiger hoher Verantwortung. Gerade das Gefühl der Ohnmacht gegenüber nicht beeinflussbaren Entscheidungen, wenig Anerkennung und Wertschätzung von der Führung und den Kollegen|-innen, verbunden mit den hohen Anforderungen begünstigen bei entsprechender persönlicher Neigung die Anfälligkeit für Burnout. Außerdem begünstigen meiner Meinung nach Organisationsstrukturen das Ausbrennen von Mitarbeitern/-innen, wenn zu viel Verantwortung und eine ungenügende Ausstattung mit Befugnissen delegiert werden. Eine zu enge Personaldecke, häufig in und nach Restrukturierungen, ungenügend geklärte Prioritäten bei Projekten und drängende Zeithorizonte sowie eine »null Fehler Kultur«, die Ängste fördert und eine ungute Konfliktkultur, die Konflikte »nach unten« delegiert anstatt an Ort und Stelle zu lösen, sowie unsichere Arbeitsplätze verstärken die »ungesunde« Dynamik.
Wie kann man einen Burnout verhindern bzw. vorbeugen?
Die beste Prävention sind eine gute Selbstkenntnis und ein achtsames Umgehen mit den persönlichen Bedürfnissen, realistische Erwartungen an sich selbst, genügend Erholungspausen und eine einigermaßen gesunde Lebensführung. Ein sorgfältiges Überprüfen und eine korrigierende Lenkung der eigenen Wahrnehmung, wenn wir »negativ« überflutet werden, wirken ebenso vorbeugend sowie ein Training der »Belastungs«-Kondition durch gesundheitsorientierte Bewegung und Entspannung. Stress und Konflikte können letztlich nur durch aktives Angehen und adäquate Bewältigung behoben werden. Rückzug zum Fernsehen, abschalten, nicht wahrnehmen wollen und Verdrängen der Probleme werden leicht zum Auslöser für psychosomatische Beschwerden und depressive Verstimmungen. Die Bearbeitung und die Vermeidung von Stressoren, ein geeignetes Selbstmanagement und die passende Bewegung, und sich selbst mit der eigenen Geschichte zu akzeptieren, sind wichtige vorbeugende Faktoren. Ein gutes soziales Netzwerk und Freundschaften pflegen, sowie persönlichen Interessen auch einen gewissen Raum zu lassen, dienen der persönlichen Zufriedenheit und geben dem Ausbrennen keine Chance. Alle, die später im beruflichen oder privaten Bereich hohen Anforderungen ausgesetzt sind, sollten schon frühzeitig dafür trainieren. Je ruhiger und ausgeglichener ein Organismus ist, umso besser kann er die verschiedenen Entspannungstechniken lernen.
Welche praktischen und präventiven Übungen können die Seminarteilnehmer in ihren Alltag mitnehmen?
Das Seminar stellt die »ganzheitliche« Person und die verbundene mentale, körperliche und seelische Dimension in das Zentrum der persönlichen Stressbewältigungsstrategie und Burnout-Prophylaxe. Die Seminarteilnehmer lernen ihre eigenen Grundbedürfnisse und den Persönlichkeitsstil bei Belastung kennen, was bei der Bewältigung von Konflikt- und Stresssituationen sehr hilfreich ist. Das Erkennen von komplexen Zusammenhängen im physisch – psychisch – biologischen Zusammenspiel erleichtert eine persönliche Standortbestimmung. Gezielte Bewegungsübungen, abgestimmt auf die Bedürfnisse der Teilnehmer, gesundheitsorientiertes Ausdauertraining, Entspannungsübungen, Meditation, Übungen zum »richtigen« Atmen, Notfalltipps bei Stress, Ernährungstipps und inhaltliche Impulse bilden die Grundlage für das Präventionsprogramm, das zu Hause weitergeführt wird.
An welche Personengruppen richtet sich Ihr Seminar?
Unternehmer, Fach- und Führungskräfte, die hohen Belastungen ausgesetzt sind. Wird in Ihrem Seminar auch auf persönliche Situationen eingegangen? Bieten Sie individuelle Interventionsmaßnahmen für jeden Teilnehmer an?
Teil 1 des Seminars dient dem Erkennen von Stressmustern und dem Finden von entsprechenden Bewältigungsstrategien und bezieht alle Teilnehmer/-innen ein. Jede/r findet in dem vielfältigen Angebot das, was ihr/ihm gut tut und was ihn/sie persönlich anspricht.
Im Teil 2 »persönliche Ressourcen entdecken und Kraft schöpfen« reflektieren wir persönliche Situationen. Bei Wunsch vertiefen wir einzelne Fallbeispiele und erarbeiten persönliche Lösungsstrategien.
Was ist der praktische Nutzen des Seminars?
In dem 2-teiligen Seminar »Stress- und Ressourcenmanagement – aktiver Umgang mit Belastungen« lernen die Teilnehmer, ihre persönlichen Ressourcen so zu managen, dass sie die alltäglichen großen Belastungen gut meistern können. Sie profitieren von den Techniken und Methoden gesundheitsfördernder Stress- und Konfliktbewältigung sowie der »Burnout-Prophylaxe«. Sie verstehen komplexe Zusammenhänge im Wechselspiel zwischen Umwelt und ihrem Organismus als Ganzheit, und Sie erhalten persönliches Feedback im Rahmen eigener Fallbeispiele.
Wie beugen Sie selbst vor?
Die Inhalte des Seminars beherzige ich selbst in meinem „Antistress-Programm“. Da ich viel unterwegs bin, lange Tage habe und häufig komplexe Prozesse begleite, brauche ich persönlich Phasen des bewussten Nichtstuns, in die »Leere« gehen. Da sitze ich manchmal in meinem Lieblingssessel und schaue sehr lange in meinen Garten. Ich bin ein Bewegungsmensch und erhole mich gut beim Sporteln, vor allem beim Wandern in der Natur mit lieben Freunden. So verbinde ich meinen Wunsch nach Kontakt mit einer Art »meditativen« Bewegung. Meine eingeübten Entspannungsübungen mache ich bei Bedarf.
Welche herausragende Persönlichkeit hätten Sie gerne kennen gelernt oder würden Sie gerne kennen lernen?
Den amerikanischen Präsidenten Barack Obama würde ich gerne kennen lernen und ihn fragen, wie er sich selbst steuert in der Konfrontation mit den von Anfang an völlig unrealistisch hohen, an ihn gerichteten Erwartungen und den vielen Irrationalitäten in seinem Alltag.
Welche Erfindung bewundern Sie am meisten?
Die Erfindung von Licht hat enorm viele Möglichkeiten geschaffen.
Bei welchen Ereignissen wären Sie gerne dabei gewesen?
Bei einem Weltallflug, um die Erde einmal von »oben« zu betrachten und bei der Entdeckung eines neuen Kontinents im friedlichen Sinne.
Was ist die größte Herausforderung im 21. Jahrhundert?
Welche Begabung hätten Sie gerne?
Meine Empfindungen und Eindrücke im Malen auszudrücken.
Worauf möchten Sie in Ihrem Leben auf keinen Fall verzichten?
Wenn Sie etwas an sich ändern könnten, was wäre das?
Mehr Gelassenheit entwickeln im Umgang mit anspruchsvollen Situationen.
Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit?
Was verstehen Sie unter Glück?
Was ist Ihr persönlicher Lebenswert?
Den Sinn »dahinter« und im Verborgenen zu finden und sowohl mich persönlich als auch die Anderen immer mehr zu verstehen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Christina Kral-Voigt, Leitung Seminare I Seminarberatung