Digital Leadership
Die Rolle der Führungskraft in der Digitalen Transformation
von Prof. Dr. Daniel Schallmo
»New Work« – spätestens seit der Corona-Pandemie ist der Begriff in aller Munde und wird auch in den Führungsseminaren des MCSL lebhaft diskutiert. Allerdings fällt auf, dass es häufig nur um organisatorische Fragen geht, etwa wie viele Tage im Homeoffice erlaubt sein sollten. Oder ob es verbindliche Kernzeiten geben muss, in denen Angestellte ihren Unternehmen zur Verfügung stehen.
Dabei verweisen uns die Debatten um New Work auf grundlegendere Fragen zur Zukunft der Arbeit. Wenn ein Teilnehmender berichtet, dass er maximal einen Tag pro Woche von zu Hause arbeiten darf, aber nicht an Freitagen oder Montagen, dann sagt das doch etwas aus über das vorherrschende Verständnis von Arbeit und natürlich auch über die Kultur in diesem Unternehmen. Offenbar hat dort das Paradigma transaktionaler Führung längst nicht ausgedient.
Unternehmen schließen gemäß diesem Führungsmodell einen Vertrag mit den Beschäftigten, der die geschuldeten Leistungen und deren Kompensation durch ein Entgelt definiert. Die Erwartungen der Vertragsparteien sind hierbei nicht kongruent: Der Arbeitgebende erhofft sich möglichst hohe Leistung zu einem möglichst niedrigen Preis. Der Arbeitnehmende verfolgt andere Interessen, die über die reinen Leistungsaspekte hinausgehen. Er möchte z.B. am Freitag ins Homeoffice gehen, eine gewisse Flexibilität und mehr Freiraum haben.
Ein transaktionales Verständnis von Arbeit lässt sich auch hinter einer scheinbar gegenteiligen Facette der Diskussion um New Work vermuten: Gerade überbieten sich manche Unternehmen im Ringen um die immer rarer werdenden Fachkräfte in ihrem Bemühen, möglichst optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen. Flexible Arbeitszeiten, das Angebot bis zu 100 % mobil zu arbeiten, bis hin zu firmeneigenen Kitas sollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten. Kantinen auf Sterne-Niveau, Massageangebote oder kostenlose Fitnesskurse unterstützen die Mitarbeitenden dabei, gesund zu bleiben. All diese Leistungen sind aber kein Selbstzweck, sondern ein Wettbewerbsfaktor. Sie sollen den Mitarbeitenden dazu bewegen, dem Unternehmen die eigene Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen – und zwar möglichst verlässlich und langfristig.
Als der deutsch-amerikanische Sozialphilosoph Frithjof Bergmann vor vierzig Jahren die New Work-Bewegung ins Leben rief, ging es ihm nicht um Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität von Unternehmen, sondern um den tieferen Sinn von Arbeit. Er war davon überzeugt, dass Menschen die Arbeit brauchen, aber nicht in erster Linie zur Sicherung ihrer Existenz, sondern um Erfüllung zu finden.
Arbeit sollte uns nicht erschöpfen und aussaugen, sondern uns helfen, unsere Berufung zu leben. Wir sollten eine Arbeit tun, die wir wirklich, wirklich wollen! Bergmann dachte dabei an einen harmonischen Dreiklang aus Erwerbsarbeit, Arbeit zur Selbst- bzw. Nahversorgung und gemeinnütziger bzw. kreativer Arbeit, die primär der Selbstverwirklichung des Einzelnen dient.
Ist das nur eine schöne Utopie oder gibt es Anzeichen dafür, dass sich im Verständnis von Arbeit tatsächlich ein Paradigmenwechsel vollzieht? Wie so oft im VUCA-Zeitalter ist die Situation auch hier unübersichtlich. Man darf durchaus kritisch fragen, ob die New Work-Bewegung global auf dem Vormarsch ist oder lediglich auf dem Boden satter, westlicher Wohlstandsgesellschaften gedeiht.
Andererseits werden auch in unseren Veranstaltungen mit Führungskräften die Stimmen lauter, die davon überzeugt sind, dass wir nicht einfach so weitermachen können wie bisher. Und dass es viel mehr braucht als flexible Regelungen bezüglich Arbeitsort und Arbeitszeit, damit unsere Unternehmen eine gute Zukunft haben. Häufig berichten Führungskräfte von der zunehmenden Erschöpfung der Menschen in ihrer Organisation. Und gerade die junge Generation – ob verwöhnt oder reflektiert und selbstbewusst – stellt klare Forderungen auch bezüglich der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit.
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Markus Väth, ein renommierter Vertreter der New Work-Bewegung, hat in einer New Work-Charta fünf Prinzipien formuliert, an denen sich Unternehmen auf ihrem Weg zu einem neuen Verständnis von Arbeit orientieren können:
1. Freiheit: New Work-Organisationen schaffen Freiräume, in denen Menschen mit neuen Formen der Arbeit und Zusammenarbeit experimentieren dürfen. Dazu gehört neben dem Netzwerkgedanken auch das Bemühen, eine »Kultur des Unperfekten « zu schaffen. Denn, wer experimentiert, muss auch Fehler machen dürfen.
2. Selbstverantwortung: In einer komplexen Welt funktionieren hierarchische Entscheidungsprozesse immer weniger. Es gilt, auf allen Ebenen die Selbstorganisation und operative Selbstregulierung inklusive Budgetverantwortung zu fördern. Auch eine Eigentumsbeteiligung fördert die Selbstverantwortung der Mitarbeitenden.
3. Sinn: Organisationen müssen für sich immer wieder neu definieren, wofür sie da sein wollen, welchen Beitrag sie für das Wohlergehen Einzelner, einer Gesellschaft oder der Weltgemeinschaft leisten. Sie beteiligen ihre Mitarbeitenden an diesem Prozess, setzen sie gemäß ihren Neigungen, Talenten und Kompetenzen ein, ermöglichen ihnen persönliches Wachstum und Sinnerfahrung. New Work-Organisationen können nicht nur ihre finanzielle, sondern auch ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wertschöpfung benennen.
4. Entwicklung: Organisationen werden nur dann überleben, wenn sie innovativ sind. Sie müssen günstige Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Mitarbeitende ständig und vor allem gemeinsam lernen sowie agil und iterativ arbeiten. Sie stellen überkommene Strukturen und Prozesse auf den Prüfstand und sorgen für eine kontinuierliche Selbsterneuerung ihrer Organisationen, indem sie in kollektive Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden werden.
5. Soziale Verantwortung: New Work-Organisationen verpflichten sich, nachhaltig und ökologisch zu wirtschaften. Sie fühlen sich der Gesellschaft vor Ort verbunden und engagieren sich sozial und kulturell. Schließlich handeln diese Organisationen integer, übervorteilen ihre Partner, Lieferanten, Kunden, Mitarbeitenden und den Staat nicht.
Sind all diese Postulate neu? Nein. Sind sie konkret genug? Auch das nicht. Aber sie können eine gute Basis für den notwendigen Diskurs in Organisationen liefern, um den eigenen Weg in die Zukunft zu gestalten. Viele Unternehmen haben sich längst auf diesen Weg gemacht und wir sind stolz und dankbar, sie dabei mit unserer Expertise begleiten zu dürfen.
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