M▶▶t the new old rules

Mit Achtsamkeit wirksam in Führung sein

Heute und damals: Ist gute Führung wirklich so anders? Eine ganz persönliche Betrachtung

 

Hui, hui… ein bisschen schwindelig kann einem schon werden bei transformativen VUKA-agilen oder disruptiven Kollaborations, äh Führungs-Dings etc. pp. Was haben diese imposanten Wortschöpfungen zu tun mit konkretem Führen? Verantwortliche reiben sich wahrscheinlich die Augen bei all den etwas entrückt anmutenden Sprachkreationen. Und lassen den ein oder anderen Pragmatiker wahrscheinlich auch rätselnd zurück.

Damals wie heute gilt ja für die allermeisten Verantwortungstragenden, dass sie es hinbekommen wollen, es gut machen wollen … das mit dem Führen. Wer steht denn auch schon morgens auf mit dem Vorsatz: »Heute bin ich mal keine gute Führungskraft«? Was Führung damals wie heute will, ist doch mit Menschen in Projektgruppen oder Teams anspruchsvolle Sachlösungen zu finden und Ziele zu erreichen. Das ist nicht neu. Neu ist auch nicht, wie Menschen sich selbst organisieren können, wie Zusammenarbeit funktional gestaltet werden muss oder worin der Führungsbedarf in heterogenen Teams besteht.

Kehren neue Besen besser?

Die Gesetzmäßigkeiten von effektiver oder kreativer Arbeit wie auch von Gruppen- und Konfliktdynamik sind lange, um nicht zu sagen jahrzehntelang bekannt. Und heute wie damals mit geeigneter Haltung und passendem Handwerkszeug gut handhabbar. Solche Klassiker der pragmatischen Führungsarbeit haben nichts an Bedeutung verloren. Braucht es dafür tatsächlich neue Wortschöpfungen, die eher vernebeln, als für Klarheit zu sorgen? Wenn man beispielsweise alle Verwechslungen à la »agil bedeutet irgendwie flexibler« weglässt, worauf läuft dann professionelles agiles Arbeiten in Sachen Führungsverantwortung hinaus?

Nehmen wir die Anzahl der zusammenarbeitenden Menschen in Gruppen oder Teams in den Blick: Effektive Selbstorganisation und -steuerung in Teams mit einer Größe von fünf bis sieben Personen funktioniert dann optimal, wenn es leistungsförderliche Rahmenbedingungen sowie klar abgesteckte Gestaltungs- und Entscheidungsräume für sie gibt.

Zu den Klassikern leistungsförderlicher Rahmenbedingungen zählen Zielausrichtung, Sinn und Nutzen sowie verfügbare Ressourcen bzw. Knowhow.  Ist das neu? Nein! Vor ca. 30 Jahren war das unter dem Begriff der »Teilautonomen Arbeitsgruppen« bekannt.

Im heutigen Führungsalltag bedeutet dies sehr klar zu umreißen, was agile Teams eigenverantwortlich kooperierend tun sollen und wo Entscheidungshoheit anderer Verantwortlicher berührt wird. Ohne fokussierte, präzise Auftragsklärung und ein ressourcenbezogenes Austarieren des Zusammenwirkens zwischen mehreren Aufträgen und Projekten kann das nicht gut funktionieren. Auf der Ebene von Knowhow ist die Fähigkeit zur Auftragsklärung mit allen relevanten Verantwortlichen ebenso zentral wie die Fähigkeit kollektiv – also bezogen auf die Auswirkungen für das Ganze bzw. die ganze Firma – kluge Schlussfolgerungen bzw. Führungsimpulse zu setzen. So weit, so gut. Bloß neu ist das nicht gerade.

Fortschritt in der Zusammenarbeit?

Es mag auch um diese »kollektive Intelligenz« – trotz allem Eifer sowie Handlungs- bzw. Erfolgsdruck im Projekt- und Führungsalltags – nicht zum Besten bestellt sein. Hört man Verantwortlichen aufmerksam zu, wenn sie von ihren Erfahrungen berichten, so entsteht der Eindruck: Es ruckelt, stockt und ächzt in den Projekten und im Führungsalltag ganz schön. Aber wieso? Schließlich ist uns die Fähigkeit, als Individuen mit unterschiedlichen Standpunkten und Ansichten zielfokussiert, abwägend und unter Berücksichtigung von Kontextbedingungen wirkungsvoll umzugehen, doch quasi evolutionsbiologisch in die Wiege gelegt. Jede und jeder von uns kennt es aus dem Mannschaftssport, der Familie oder Clique, in der vieles möglich wird. Die individuellen Fähigkeiten, kollektiv intelligent zu agieren und zu führen, sind uns bekannt, sogar vertraut. Wir wissen doch, dass einer alleine auf dem Platz noch keine gute Mannschaft ausmacht. Wir wissen auch, dass Fortschritt und Effizienzsteigerung in einem Geschäftsbereich, wenn es zu Lasten und mit Effizienzminderung in einem anderen Geschäftsbereich einhergeht, für die Organisation ist wie »linke Hosentasche oder rechte Hosentasche«. Somit wissen wir, dass wir nur gemeinsam stark sind. Es wäre folgerichtig, alle Kraft und Energie in die Bündelung zu investieren.

Das, was fehlt, was zu kurz kommt, muss etwas anderes sein. Und hier kann ein Blick in die jüngere Resilienzforschung helfen. Meine persönliche Resilienz, also die körperlich-mentale-psychisch-seelische Widerstandskraft, entscheidet darüber, wie gesund und vital ich mich erlebe und agieren kann. Die Resilienzforschung geht schon länger davon aus, dass die bekannten sieben Resilienzfaktoren dann besonders wirksam werden, wenn sie eingebettet sind in drei zusätzliche Fähigkeiten bzw. Faktoren.

Mindful Lateral-Leadership: Was Achtsamkeit mit wirksamer kooperativer Führungsarbeit zu tun hat

Überträgt man diese Erkenntnis auf die Anforderungen im Führungsalltag, so brauchen Führende heute vor allem eine aufmerksame, emotional intelligente Selbstführung. Sie brauchen die Fähigkeit, im beschleunigten Alltag innezuhalten und achtsam zu werden für eigene Anliegen, Bedürfnisse und Grenzen. Aber auch für emotionale und soziale Anforderungen anderer – als Basis für eine gelingende, konstruktive Zusammenarbeit. Sie brauchen die Fähigkeit, in Gruppen und Teams aufgeschlossen, unsicherheitstolerant im Ausprobiermodus zu agieren und kollektiv intelligente Lösungsvorschläge zu erfinden. Es gilt, präsent und fokussiert zu sein. Für den Führungserfolg ist letztlich entscheidend, den Einigungsbedarf und die Konsequenzen für alle bei Nichteinigung oder bei Entscheidungen mit hohem Widerstandspotenzial zu prognostizieren und damit klug zu navigieren.

Wenn also etwas neu daran ist, was Führung heute gelingen lässt, dann ist es die Bedeutung oder auch die pure Notwendigkeit, dass präsent, achtsam und tolerant bzw. anpassungsfokussiert agiert wird. Und braucht das nun einen neuen Namen? Ich weiß nicht recht … Entscheiden Sie selbst!

Dr. Ramona Eden | Trainerin MCSL

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Dr. Ramona Eden
Selbstständige Trainerin, Beraterin & Senior-Coach

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